Am 19. 11. 2006 werden in der Regent Street in London die Weihnachtslichter angezündet. Damit wird offiziell die Vorweihnachtszeit und exzessive Shoppingsaison in London eröffnet. Jedes Jahr freut und bangt man aufs Neue ob es das richtige Geschenk sei, shoppt und genießt die Zeit doch irgendwie. Festtrubel contra Besinnlichkeit, Geschenke-Lust, Geschenke-Frust. Es gibt Weihnachtsbräuche, die auf der Insel besonders sind. Doch wissen Sie woher der Weihnachtsbaum eigentlich kam und wer den Christmas Cracker erfand? Lesen Sie mehr über Ursprünge und Geschichte und was sich Großbritannien von Deutschland abschaute oder umgekehrt.
Fangen wir mal mit dem Weihnachtsbaum an. Der hat in Großbritannien eine sehr wechselvolle Geschichte. Gesellschaftsfähig wurde er erst im 19. Jahrhundert. Hierzu gibt es zwei Theorien: Die eine macht Prinz Albert, Ehemann von Queen Victoria, dafür verantwortlich, der den Baum stante pede aus Deutschland ins Schloss Windsor importierte. Ein Foto der königlichen Familie versammelt unter dem Baum in der Zeitung tat das Übrige. Dagegen spricht eine andere Quelle, die der deutschen Monarchie in England eine gewisse Unbeliebtheit nachsagt. Jener Theorie zufolge war Nachbarneid der Grund für den Erfolg des Weihnachtsbaumes. Deutsche Wollhändler stellten den geschmückten Baum in ihre Stuben, englische Nachbarn sahen das und wollten auch etwas Grünes und mit Lichtern Bestücktes im Haus …
Welche Theorie auch immer, heutzutage erfreut sich der Weihnachtsbaum ähnlich großer Beliebtheit auf der Insel wie in Deutschland.
Zum religiösen Hintergrund ist dies zu finden. Der Tannenbaum wird oft vereinfacht dreieckig gezeichnet. Früher symbolisierte dieses Dreieck die Heilige Dreifaltigkeit von Gott, dem Vater, Jesus, dem Sohn, und dem Heiligen Geist. So löste der immergrüne Baum die Eiche als heiligen Baum der vorchristlichen Religionen in Europa ab.
Der erste geschmückte Tannenbaum soll – urkundlich erwähnt – nicht in Britannien, sondern in Riga/Lettland gestanden haben, und zwar 1510. Im frühen 16. Jahrhundert soll Martin Luther den Baum dann erstmals mit Kerzen geschmückt haben, um seine Kinder an den Sternenhimmel in dunkler Nacht zu erinnern.
Einer der bedeutendsten Weihnachtsbäume Großbritanniens steht alljährlich auf dem Trafalgar Square Londons und ist eigentlich ein Zugereister. Seit mehr als 50 Jahren schmückt er den Platz in der Vorweihnachtszeit. Und er ist ein Geschenk. Ein Vorweihnachtsgeschenk der Norweger an die britische Nation. Während des Zweiten Weltkrieges suchte und fand König Hakon aus Norwegen nämlich Zuflucht in England. Als Dankeschön für die Unterstützung und Freundschaft während dieser Zeit schickt sein Land alljährlich eine riesige Tanne nach England. Unter ihren weißen Lichtern singen Jahr für Jahr viele Chöre und stimmen andere weihnachtlich.
Einer, der unbedingt zum britischen Weihnachten gehört, ist Father Christmas. Ursprünglich ist er eine Figur des englischen Mitwinterfestes. Bis um das Jahr 1880 wurde er meist im grünen Mantel dargestellt. Sein Name Santa Claus geht auf den holländischen Namen von St. Nicholas – Sinter Klaas – zurück. Jener soll einmal wirklich gelebt haben und ein äußerst gutherziger Mensch gewesen sein, der Kindern und Armen Geld gab, ohne dass es jene merkten. Santa Claus trug bis ins 19. Jahrhundert eine grüne Kluft, die auf die Hoffnung des kommenden Frühlings hindeuten sollte. Erst mit dem Aufkommen (und zunehmenden Erfolg) eines amerikanischen Getränkeproduzenten in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts änderte der Mantel seine Farbe und wurde rot. Dabei blieb es sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland.
In Großbritannien war Father Christmas aber nicht zu allen Zeiten gleich beliebt. Im 17. Jahrhundert ging er sogar für ein paar Jahre samt Mince Pies und allen freudigen Feierlichkeiten in den Untergrund. Schuld waren die Puritaner und Oliver Cromwell. Dieser wurde zwar offiziell verantwortlich gemacht, aber de facto waren es das Parlament und das streng gläubige Volk, welche nach mehr Zucht und Ordnung verlangten und das damalige 12-tägige Feiern um Weihnachten in gesittetere Bahnen lenken wollten. Der Beliebtheit von Santa Claus, dem gut gelaunten und wohlgenährten Gesellen, tat das keinen Abbruch, im Gegenteil: Mit der Restauration um 1660 wurde Weihnachten wieder so gefeiert wie gewohnt. Her mit den Mince Pies und Herein mit dem Weihnachtsmann und den Geschenken.
Natürlich gibt es auch regional unterschiedliche Bräuche zu Weihnachten: In Schottland feiert man Hogmanay – um Silvester und dann richtig groß. Besonders sollte man um diese Zeit auf das Feuer im Herd achten. Wenn es ausgeht, haben die bösen Elfen Zugang, also immer gut einheizen! Am ersten Weihnachtsfeiertag werden mancherorts in Schottland große Freudenfeuer angezündet, da herum tanzt man dann und isst Bannock-Kuchen (Küchlein aus Hafermehl). In Schottland wird Weihnachten traditionell eher still begangen. Dies geht auf die schottische Kirche zurück, die ihre Ursprünge in der Presbyterianischen Kirche hat. Hier sah man alles betont nüchtern und unverschmückt. Groß feiern war eher nicht erwünscht.
Für Süßmäuler ist Wales das Pflaster, wo man hinmuss. Taffy Making heißt der Brauch und schlicht gesagt wird Toffee in Pfannen am offenen Feuer geköchelt. Sehr stimmungsvoll. Von dem zähflüssigen Brei lässt man ein paar Löffel in eiskaltes Wasser plumpsen und orakelt anschließend über die tiefere Bedeutung des entstandenen Klumpens (ähnlich dem deutschen Bleigießen zu Silvester).
Außerdem gibt es auch heute noch einen walisischen Brauch der auf vorchristliche Zeit zurückgeht. Wenn es in vorweihnachtlicher Zeit plötzlich an der Tür klopft und man mit gereimten Beleidigungen belegt wird, weiß der Waliser sich darauf im wahrsten Sinne einen Reim zu machen: Mary Lwyd steht vor der Tür (meist ein alter Mann mit einer hässlichen Schindmähre). Was es damit genau auf sich hat, darüber kann man wahrscheinlich auch orakeln, aber Mary Lywd soll Glück bringen.
Was gehört zum echten britischen Weihnachtsmahl? Mince Pies und Christmas Cake – eine reichhaltige fruchtige Köstlichkeit, von der man nicht zu viel auf einmal genießen sollte. Und vorher gibt’s einen ordentlichen Knall: vom Christmas Cracker. Den erfand übrigens Thomas Smith um 1846. Er importierte einige Kleinigkeiten aus Frankreich, die er als Weihnachtsgeschenke verkaufen wollte. Diese entwickelten allerdings Ladenhüterqualitäten. Thomas Smith aber war erfinderisch und wusste sich zu helfen: Er packte alles ordentlich ein und versah das Ganze mit einem Geräusch erzeugenden Mechanismus beim Öffnen. Schon wurde er seine Ladenhüter reißend los und der Christmas Cracker war geboren. Die traditionelle Art, den Knalleffekt in großer Gesellschaft richtig zu vollziehen, ist diese: Man kreuze die Arme vor dem Körper und halte jeweils links und rechts mit seinem Tischnachbarn einen Christmas Cracker fest – mit der rechten Hand den eigenen, mit der linken dem Nachbarn helfen! Ordentlich ziehen und schon hat man die Bescherung! Na dann: Frohe Weihnachten!
(Quelle: Regina Zibell)
Regent Street Lichter:
www.regentstreetonline.com/regentstreet/EventsChannel
Wales Weihnachtsbräuche:
www.bbc.co.uk/wales/christmas/sites/content/pages/customs.shtml
Schottlands Weihnachtsbräuche:
www.santas.net/scottishchristmas.htm