Bluthochdruck: Freispruch für das Salz!

Entgegen einem hartnäckig am Leben bleibenden Mythos ist ein Zuviel an Kochsalz in der Nahrung in den allerwenigsten Fällen der 20 Millionen Bluthochdruckpatienten in Deutschland Ursache oder aufrecht erhaltender Faktor. Gegenteilig kann eine strenge Salzrestriktion vor allem bei älteren Menschen mitunter sogar gefährliche Folgen haben, warnt heute Diplom Ernährungwissenschaftlerin Bettina Geier von der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik in Aachen.

Halbwahrheiten, fehlinterpretierte Tierstudien sowie falsche Verzehrsannahmen über den Salzkonsum in Deutschland waren Geburtshelfer der seit Jahrzehnten existierenden Legende, die das Salz zum Feindbild jedes Hypertonikers machte. Die These der salzbedingten Blutdrucksteigerung basiert auf der Tatsache, dass Salz Wasser bindet. Ist mehr Salz im Blut, würde demnach das größere Blutvolumen auch stärker auf die Wände der Blutgefäße drücken, lautete die Theorie in der Vergangenheit.

Erst in den 90er Jahren erkannte die Forschung, dass der Organismus wesentlich differenzierter regiert, die ablaufenden Regelmechanismen komplexer sind. Lediglich 15 Prozent, jeder sechste Betroffene, reagiert auf eine Salzrestriktion mit einer leichten Senkung des Blutdrucks. Diese Patienten werden als „salzsensitive“ Menschen bezeichnet. Trotz unzähliger Versuche von Forschern in aller Welt gelang es bis heute nicht, einen kausalen Zusammenhang zwischen Salzkonsum und erhöhten Blutdruck zu belegen.

Trotzdem hält sich der Mythos, Salz erhöht den Blutdruck, eisern in vielen Köpfen. Weiterer Stein des Anstoßes wenn auch längst widerlegt, waren Untersuchungen an Ratten aus den 70er Jahren in den USA, die mit äußerst stark salzhaltiger Nahrung ernährt wurden, hohen Blutdruck entwickelten und in der Folge daran früher starben.

Doch handelte es sich bei der Übertragung dieser Ergebnisse auf den Menschen um eine Fehlinterpretation. Umgerechnet auf den Menschen entsprach die von den Ratten täglich aufgenommene Salzdosis knapp 500 Gramm, was jeder wissenschaftlichen Verhältnismäßigkeit entbehrt. Ein weiterer Grund, weshalb seit den 70er Jahren nahezu präventiv zu allgemein salzarmer Ernährungsweise geraten wurde, ist eine falsche Verzehrsannahme, die von täglich durchschnittlich 12 bis 15 Gramm der Deutschen ausging.

Dieses Märchen wurde ebenfalls erst in den 90er Jahren durch umfassende Untersuchungen zum Natriumhaushalt entkräftet. Im Durchschnitt verbraucht jeder Bundesbürger etwa 16 Gramm Speisesalz pro Tag, jedoch nimmt er davon nur etwa die Hälfte auf, die andere Hälfte geht durch Kochwasser und dergleichen verloren. Verschiedene Studien ergaben einen täglichen Verzehr, der heute bei Frauen zwischen 6 und 6,4 Gramm, bei Männern zwischen 8,2 und 8,5 Gramm liegt.

Über 30 Jahre quälten sich Patienten mit fader Kost – der größte Teil von ihnen völlig sinnlos. Selbst bei salzsensitiven Patienten, so ist sich die Expertenmehrheit einig, bewirkt eine Kochsalzreduktion vergleichsweise wenig. Die Blutdrucksenkung liegt bei maximal 5 mmHg.

Bei Bluthochdruck spielen eine Vielzahl von Lebensfaktoren eine Rolle. Selbst salzempfindliche Menschen senken ihren Blutdruck weit wirkungsvoller durch eine Gewichtsabnahme. Einige Kilogramm Gewichtsabnahme bewirken deutlich mehr als es eine Salzreduktion vermag.

Zu wenig Salz kann sogar Schaden anrichten, warnt Bettina Geier nachdrücklich. Denn Salz- und Flüssigkeitshaushalt sind direkt miteinander verknüpft. Insbesondere bei älteren Menschen kommt es durch geringe Salzzufuhr kombiniert mit verminderter Durstwahrnehmung zu Entwässerung und Kreislaufzusammenbrüchen.

Wissenschaftler sind sich einig, dass eine Entwarnung bezüglich der Salzaufnahme in Deutschland nötig ist. Hypertonikern wird empfohlen, sich im Rahmen einer dreiwöchigen Versuchsphase Gewissheit zu holen, ob eine Salzsensitivität im Einzelfall vorliegt. Der Patient sollte hierzu drei Wochen salzreduziert essen, wobei der Arzt an einigen Tagen mehrmals den Blutdruck misst und am Ende daraus schließen kann, ob eine Salzrestriktion sinnvoll ist.

Für nahezu alle Bluthochdruckbetroffenen gilt, so Diplom Ökotrophologin Bettina Geier: Eine Umstellung der Ernährungsweise zu reichlich Gemüse und Obst, weniger Kalorien, weniger Fett, insbesondere gesättigtes, weniger Alkohol, mehr ungesättigte gefäßschützende Fette, mehr Bewegung sowie damit einhergehender Abbau von Übergewichtspfunden sind die wichtigsten Maßnahmen, um Bluthochdruck effektiv in den Griff zu kriegen.

Noch mehr Informationen zu einer gesunderhaltenden ausgewogenen Ernährungsweise sind unter www.ernaehrungsmed.de nachzulesen.

Sende
Benutzer-Bewertung
0 (0 Stimmen)

4 Antworten auf „Bluthochdruck: Freispruch für das Salz!“

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    ihr Artikel zeigt – wie auch viele andere Erfahrungen – die Sinnlosigkeit derartiger Tierversuche. Besonders im Ernährungsbereich sind Fallstudien wesentlich realitätsnaher und aussagekräftiger! Leider sind Tierversuche nicht so aufwändig, so dass sie immer noch eingesetzt werden, was auch bei vielen Medikamenten (Contergan war nur die Spitze des Eisbergs) zu Fehlinterpretationen führt, selbst wenn man das immense Tierleid außer acht lässt.

    Mit freundlichem Gruß und vielem Dank

    Elsiabeth Petras

  2. Sehr geehrte Damen und Herren,
    ihr Artikel zeigt – wie auch viele andere Erfahrungen – die Sinnlosigkeit derartiger Tierversuche. Besonders im Ernährungsbereich sind Fallstudien wesentlich realitätsnaher und aussagekräftiger! Leider sind Tierversuche nicht so aufwändig, so dass sie immer noch eingesetzt werden, was auch bei vielen Medikamenten (Contergan war nur die Spitze des Eisbergs) zu Fehlinterpretationen führt, selbst wenn man das immense Tierleid außer acht lässt.

    Mit freundlichem Gruß und vielem Dank

    Elsiabeth Petras

  3. Wer sich mit Ernährungsmedizin beschäftigt, weiß, wie schwer es ist, solche Irrtümer wieder zu korrigieren. Da kann man nur immer wieder aufklären, wie auch Sie in diesem Fall. Das Blöde ist nur, dass selbst mein Berufsstand an einmal eingebläuten Fehlinterpretationen eisern festhält – meist bis in die nächste Generation.
    Und so die Verbraucher und potentiellen Patienten immer wieder verunsichert werden.

    Grüße

  4. Wer sich mit Ernährungsmedizin beschäftigt, weiß, wie schwer es ist, solche Irrtümer wieder zu korrigieren. Da kann man nur immer wieder aufklären, wie auch Sie in diesem Fall. Das Blöde ist nur, dass selbst mein Berufsstand an einmal eingebläuten Fehlinterpretationen eisern festhält – meist bis in die nächste Generation.
    Und so die Verbraucher und potentiellen Patienten immer wieder verunsichert werden.

    Grüße

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.