Sternefresser zu Gast bei Christian Bau
Wenn zwei sich streiten, bekommt einer von beiden einen Stern. Ganz abweichend zu dem, was wir alle im Deutschunterricht der 10. Klasse gelernt haben, nehmen wir die Quintessenz unseres wunderbaren Abends mit Christian Bau vorweg.
Denn, dass „Lies, Sex and Videos“ auch in der Gastronomiebranche ein Wörtchen mitreden, haben wir immer goutiert, dass die Kollegen des Gault Millau dann aber so unsachlich werden würden, hatten wir nicht auf dem Schirm. Aber exakt eben diese Ausführungen forderten eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit Tafelkultur und der Persönlichkeit Bau´s gerade zu heraus. „Quo vadis?“ stand also in großen Fragezeichen über unserem Wochenende und wie immer, wenn es verspricht, spannend zu werden, enttäuscht einen das Leben nicht.
Christian Bau ist – ohne in irgendeiner Form anmaßend wirken zu wollen – ein noch junger Mensch, der in seiner Karriere überschaubare aber prägende Stationen durchlaufen hat. Hier liegt wohl auch das erste Erfolgsgeheimnis von Christian Bau: Er ist ruhig, abgeklärt und in jeder Situation souverän. Nun gibt es wiederum Personen, die meinen, dass das langweilig und unter Umständen unangemessen für einen Küchenchef seines Alters wäre – aber man darf das wohl eher als professionell bezeichnen. Christian Bau ist im klassischen Sinne ein Profi. Und das ist gut so!
Im Sinne einer zunehmenden Kultivierung des Küchenchefs als Human Brand und medialer Hypes geht es heute bei vielen Gastronomen weniger um ein stimmiges Konzept und dessen um so stimmigere Umsetzung als Effekthascherei oder vordergründig kultivierte Kreativität.
Professionalität ist daher eine Vokabel, die vielen in der heutigen Zeit nur wenig laut erscheinen mag, aber eben die Summe aller Erfolgsgeheimnisse darstellt.
Dialog mit der Küche
Jeden Moment der Tafelkultur haben Christian und Yiliz Bau und Michael Selz fest in der Hand und brillieren durch unaufdringliche Dominanz, klassische Eleganz und kreative Harmonie. Klingt alles in allem ziemlich unspektakulär, führt aber zu einem entspannten und hochkarätigen Gastronomieerlebnis.
Es gab an allen zwölf Gängen wenig, was mit dem Wörtchen Kritik zu verbinden wäre. Sämtliche Gerichte sind handwerklich perfekt zelebriert und elegant und ästhetisch angerichtet.
Wir hatten unseren persönlichen Höhepunkt trotz der Tatsache, dass wir hierzu keine grundsätzliche Zuneigung pflegen, beim Blue-Fine-Thunfisch mit Rettich-Kresse-Wassabi. Intensiv aber harmonisch, ohne dass eine allzu asiatische Prägung entsteht. Der Rehrücken drei Gänge später steht dem inzwischen berühmten Eifler Reh von Thieltges in keinem Aspekt nach.
Wenn man denn trotzdem nach Eintrübungen sucht, urteilen wir, dass die Langustinos trotz der geringen Menge von 20g ihre Stärke in der Kombination mit den getrüffelten Kalbsgraupen nicht voll ausspielten.
Der Käse und das Guavensorbet leiteten gefühlvoll zum Abschluss des Abends der Patisserie – so wie wir uns Patesserie wünschen. Nicht schwer, nicht übermäßig süß, sondern geschmacklich herausragend und perfekt zubereitet. Ein Gericht wie jedes andere an diesem Abend, nur eben kein erdrückender Schlusspunkt, sondern integraler Bestandteil der Gesamtharmonie.Sowohl Espressogratinée als auch das Dessert von Banane-Maracuja-Ananas hatte federleichten aber intensiven Charakter. A la bonheur!
Vom ersten Amouse Bouche bis zur letzten Patisserie ist jedes Element auf dem Dekor wohl behalten platziert und erfüllt eine geschmackliche Gesamtfunktion. Der Service ist liebevoll, ohne detailverliebt daher zukommen.
Die Summe des Ganzen
Baus ganz offensichtliche und auch unbestrittene fachliche Fähigkeiten sowie sein teamorientiertes und offenes Wesen werden durch eine – in dieser Form in dieser Branche – Offenheit und Kritikfähigkeit ergänzt. Denn so unverständlich es ist, dass der ein oder andere Gastronomieführer statt einer Auseinandersetzung mit der Küche die tiefenpsychologische Literaturkritik vollzieht, um so bewundernswerter oder eben professioneller ist es doch, wenn Bau auch daraus seine Lehren zieht und sein kulinarisches Konzept auf den Prüfstand stellt. So muss Christian Bau dem Gault Millau am Ende vielleicht sogar dankbar sein, dass er seinem jungen aber erfüllten Leben als Küchenchef den letzten Schliff in Form einer persönlichen Enttäuschung, die es zu verarbeiten galt, gewährt hat.
Natürlich kann man Bau fragen, was er dieser Kombination aus Können und Karriere in den kommenden 30 Jahren noch hinzufügen möchte, doch vorwerfen kann man es ihm nicht. Bau ist Koch und Unternehmer – und im Gegensatz zu Kollegen, die mit dem kreativen Kopf durch die unstruktrurierte Wand gehen, wählt er einfach den geraden Weg. Mag sein, dass dies für einen Küchenchef ungewöhnlich ist, die Tatsache, das aber zu merken ist, dass alle Mitarbeiter des Hauses diese Philosofie bis in die Haarspitzen aufgesogen haben und dafür eintreten, zeigt dass diese Herangehensweise motivierend ist und Bau motivieren kann.
Diese Atmosphäre ist beeindruckend und sympathisch und – neben weiteren persönlichen Aspekten, deren Detailwertung wir vernachlässigten – wahrscheinlich auch der Grund, warum seine Frau alle gastronomischen Stationen mit ihm bestritten hat und ihn selbst für einen Auftritt als Küchenchef bei einem spanischen Abend während seiner Zeit bei der Bundeswehr nicht im Stich ließ. Wir hätten es ihr gerne gleichgetan.
Warum muss dies alles gesagt werden? Zum einen, weil der gastronomische und persönliche Auftritt seines Wirkens uneingeschränkten insbesondere hinsichtlich seiner jungen Karriere Respekt verdient, zum anderen, weil die ausufernden Ausführungen des Gault Millau die Bezeichnung „unwürdig“ verdienen.
Christian Bau hat nach allen gastronomischen, fachlichen und geschäftlichen Kriterien einen dritten Stern nicht verdient, sondern er steht ihm und seinem Team uneingeschränkt zu. Mit Michael Selz, seinem ebenfalls noch jungen Sommelier, hat er einen Partner gefunden, der die Weine unterhaltsam und mit großem Detailwissen begleitet und Abend und Eindruck glanzvoll abrundet. Bau gehört zu einer neuen Generation Koch, die den Wandel vom extrovertierten ab und zu auch boulevardesken Promikoch der 80er Jahre zum unaufgeregten, konsequenten und kundenorientierten Küchenmanager in beeindruckender Weise vollzieht. Kollege Wissler ist dafür mit dem dritten Stern belohnt worden. Bei Christian Bau wird dies nicht mehr lange dauern.
Qualität kommt von quälen – Profi von Profil…und Christian Bau auf diesem Wege zum dritten Stern!
Autor: sternefresser, http://www.sternefresser.de