Restaurantkritik „Ente im Nassauer Hof“, Wiesbaden

Ente gut…,alles gut?

Ist die Gastronomie noch zu retten…?

Um es gleich vorweg zu nehmen, ich esse gerne gut, trinke ebenso gern einen schönen Wein. So ist es denn auch klar, will man den wunderbaren Konzertabend mit Arcady Volodos im Wiesbadener Kurhaus krönen, reserviert man naheliegenderweise in der Ente.
Die Ente, seit ihren glanzvollen Zeiten an Konzert und Theater besucher gewohnt, nimmt denn auch gerne Reservierungen entgegen. So flanierten wir die wenigen Schritte vom Kurhaus zur Ente, wurden vom Sommelier weniger herzlich empfangen, denn unsere Reservierung vortragend, schaute dieser wie ein Vater auf seine spät eintreffende Tochter auf die Armbanduhr, pochte mit dem Finger auf dieselbe und meinte, daß die Reservierung aber für 22 Uhr notiert wäre. Es war kurz nach 22 Uhr 30 und die Reservierung war selbstverständlich für zwischen 22 und 22 Uhr 30 getätigt worden. Und wir waren nach über 25 Jahren Ente, sicherlich nicht die Einzigen, welche nach einem Konzertabend hier zu Gast weilten.
Nun gut. Eine schöne Einstimmung ist dies sicher nicht, aber man will sich ja nicht die Freuden vorweg verderben lassen. Speisekarten wurden verteilt, auf mein Verlangen erhielt ich die Weinkarte, die so stellte sich schnell heraus gegen früher erheblich um wichtige Weltweinlagen gekürzt war. Auf meine Frage nach einem australischen oder südafrikanischen Shiraz, wurde mir vom Sommellier leicht Nase rümpfend kundgetan, man habe sich auf die wichtigen Weinregionen beschränkt und er könne mir aus dem Stammland des Shyra Frankreich einen solchen anbieten. Weinkenner wissen, daß zwischen dem französischen Shyra und einem australischen oder südafrikanischen Shiraz Welten liegen. Denkt man nur an Penfold oder Connamara ist man ganz nah an der Spitze. Das war mein Wunsch.
Aber in Ermanglung tranken wir französischen Shyra. Auch nicht schlecht, aber eben nicht heraus-ragend, dafür war der Preis Spitze. So ist das im Leben.
Die Speisekarte verzeichnete einige wohlklingende Vorspeisen, allesamt ebenfalls zum Spitzenpreis von 26 bis 29 Euro. Hauptgerichte um 38 Euro und bergan.
Da erwartet man doch etwas vom besternten Enten Chefkoch. Meine erwartungsvollen Begleiter hatten sich allesamt für eine lautmalerische Entenleber Patè entschieden. Meine Wahl hörte sich ebenso wohlklingend an: Taubenbrust, Gänseleberparfait, Trüffelvinaigrette…um es abzukürzen.
Der Gruß aus der Küche waren auf schwarzer Schieferplatte servierte Vodkagläser mit leuchtend rotem Melonenmus, dazu ein Zahnstocher mit einem gelbbraunem Lachsirgendetwas Röllchen, die Inspiration war sicherlich das allseits bekannte Anchoviesfilet mit Kaper in der Mitte. Was ich denn auch lieber gehabt hätte, denn der fade Lachsbrocken schmeckte mit dem viel zu süßen Melonenmus recht langweilig bis grauselig. Eine Création aus Resten oder Balanceakt am Rande des guten Geschmacks? Auf der Suche nach spektakulären Neuem geraten viele Köche in einen Bereich, wo der zahlende Gast sich fragt, ob die Création für die Tester der Gourmet Guides entstand oder für den Gast. Ich vermute sehr stark Ersteres. Mich beeindrucken solch artifiziellen Spielereien auf Kosten meines Gaumens und meiner Brieftasche nicht im geringsten im Gegenteil.
Was dann als vermeintliches Amouse bouche auf kleinem, spitzen, asiatisch Design Teller serviert wurde, stellte sich dann als die bestellte Vorspeise für 29 Euro heraus.
Ikebana wäre eine opulent, ba-rocke Umschreibung für die sich präsentierenden Miniaturen auf dem weiten Weiß des kleinen Tellers. Unter einem krokantähnlichem Blättchen versteckte sich verschämt das eiskalte Parfait, auf drei nicht zu identifizierenden runden und hauchdünnen Scheibchen (Kartoffel…Kohlrabi…gar Topinambur…??) in einer glanzlos, faden Vinaigrette, die aber nicht den Hauch von Trüffel erahnen ließ, lag einmitsamt einem bizarr verformten, da fritiert einsames, grünes Blättchen und das Drittel einer halben Taubenbrust. Mit anderen Worten, etwas in der Größe eines Däumlings.
Und ich habe keine großen Hände! Aller-dings, das muß ich eingestehen, perfekt blutig gebraten. Wer Salmonellen liebt, der mag’s.
Spätestens jetzt merkt der geneigte Leser, daß dies keine Krönung des Konzertes war sondern eher eine Guillotinierung des guten Geschmacks.
Ist die deutsche Gastronomie noch zu retten?! Denn, wie gerade in der ehemals so berühmten und gastronomisch glänzenden Ente mit Peter Wodarz, geht es heute doch landein landauf fast überall zu. Und in den immer häufiger ausgestrahlten Kochsendungen, die größtenteils an Peinlichkeiten und platten Dümmlichkeiten kaum zu überbieten sind, sieht man denn jene Gestalten, welche uns den guten Geschmack und Kochkunst nahebringen wollen. Ist das Zeitgeist, oder was?
Ausnahmen gibt es gottseidank, wenn auch wenige, Köche wie Alfons Schuhbeck oder Vincent Klink, würden sich niemals auf ein solches Terrain begeben, da ist die Welt noch in Ordnung und auch durchaus creativ, nicht altbacken.
Wie aber bereits gesagt, werde ich das Gefühl nicht los, daß vielerortens nur für das Spektakuläre, den Showeffekt “gekocht” wird, die eigentliche Hauptperson, der zahlende Gast soll sich selbstverständlich unterordnen, ob es ihm gefällt oder gar schmeckt, scheint völlige Nebensache zu sein. Sind Sie auch ein dummer Gast?
Schlucken Sie ihren Ärger mitsamt den zuvor beispielhaft genannten Schöpfungen einfach hinunter? Wenn Sie es tun, wird es in deutschen Küchen bald noch bunter und toller zugehen! Erste Anzeichen dafür sind bereits deutlich sichtbar, die ehemalig tadellos, weiße Brigade, wird rot und schwarz, gestreift, man trägt bunte Kappen und die auch noch verkehrt herum will mit solchen Gags den scheinbar unmündigen Gast noch mehr verunsichern. Lassen Sie sich so etwas nicht bieten. Meiden Sie ganz einfach solche Restaurants.
Zurück zur Ente mit der Beschreibung einer weiteren Vorspeise.
Richtig, auch 29 Euro und das sah so aus: Wie gehabt, asiatischer, kleiner Teller, darauf die Création einer Entenleberpastete, die mir den Atem verschlug. Ein exaktes, längliches Rechteck die Pastete darauf in wechselnder Reihenfolge, feine Achtelchen von sautierter Pflaume, Aal jawohl, Sie haben richtig gelesen, Aal. Was um alles in der Welt hat den Meisterkoch dazu bewogen Aal mit Entenleber zu kombinieren? Sicherlich nicht wegen des guten Geschmackes. Besagtes Rechteck der Kochkunst stellte sich von der Optik als Arbeit eines puristischen Kindergartenzöglings dar, nur nicht aus Knete und nicht so bunt.
Ja,… und sonst war nichts auf dem Teller, weder Sauce noch Blättchen, lediglich zwei dünne, hell und dunkelrote, geschmacklich nicht zu indentifizierende Streifen (Sauce?)sonst rein gar nichts. 29 Euro.
Auf die Frage des Einladenden an den Sommellier für ein Glas begleitenden Weines wurden ausschließlich deutsche Beeren-auslesen empfohlen. Meine Frage nach Muffato von Antinori oder anderen großartigen Süßweinen wurde wiederum mit spürbarer Arroganz abgetan. “Wir haben uns auf die wichtigsten Weinregionen dieser Welt beschränkt,…!”
Wer die Ente als Gast aus der kürzlichen Vergangenheit her bereits kennt, weiß, daß gerade die Weinkarte des Hauses ob ihrer Qualität und Vielfalt des Angebotes berühmt war. Anscheinend wird nunmehr im Keller gewaltig gespart, dafür wird versucht dem Gast die eigene Auswahl aufzudrängen. Immerhin kamen dann zwei Gläser, eines mit einem sechs buttigem Tokai viel zu veraltet, starke Firne und eine vom Sommellier geliebte, deutsche Beerenauslese leider viel zu warm. Wer nun glaubt, dies wäre der gesamte Reigen gewesen, der irrt, denn das Dessert stand ja noch aus. Von allem etwas, so der Wunsch der Tischrunde. Optisch wohltuend und ansprechend, wurden 2 Platten mit je 12 Mini-schälchen – jawohl,… asiatisch serviert. Die einladenden Häppchen sorgten für ein heiteres Geschmacksraten.
Stutzig wurde ich aufgrund einer Äußerung zur Crème brûlée oder auch Trinity cream, nach dem angeblichen englischen Erfinder benannt die ja eine Mischung aus Eigelb, Milch und Sahne, sowie dem Mark der Vanilleschote besteht, meist aromatisiert mit feiner Orangenschale, eine simple Angelegenheit mit dem einzigen Gag, daß auf der kalten Crème ein wenig brauner Rohrzucker durch kurze Oberhitze brûlée gebrannt also karamelisiert wird. Mein Tischnachbar glaubte starken Zimtgeschmack zu erahnen, was mich erstaunte, so probierte ich denn.
Die Crème stellte sich als stark angebrannter Pudding heraus. Kein direkter Grund für eine Reklamation, aber den Maître wollte ich es schon wissen lassen. Er bedauerte, daß die japanische Patisseuse bereits im Feierabend weilte. Aha!
Auch wir beschlossen, daß es angeraten wäre den Abend zu beenden mit dem stillen gegenseitigen Einverständnis, für künftige Konzert oder Theaterbesuche ein anderes Restaurant zu wählen. Die letzte kulinarische Enten Erfahrung lag bereits fünf Jahre zurück, trotz vorheriger Degustation eines Menus, war die Feier mit 60 Personen milde gesagt Mittelstandsniveau, dies geschah noch unter Küchenchef Eisele. Herr Direktor Nüser, schriftlich detailliert informiert, sah es nicht als notwendig an zu reagieren. Da kann man als Gast nur froh sein, daß man unter der Leitung von Peter Wodarz und einem Maître Kaufmann noch die Glanzeiten der Ente erleben durfte, das waren jedenfalls noch echte kulinarische Erlebnisse.
Irgendwann wird die Ente nicht mehr vom vergangenem Glanz leben können. Waren früher Freitagabend alle Räume ausgebucht, so waren es diesmal nicht ein Drittel der Gäste, vermutlich proportional zum Gebotenen.

W. A. di Bolgherese

Das Restaurant Ente Wiesbaden liegt auf Platz 78 der Haiku Liste,die 2000 besten Restaurants in Deutschland:http://www.haiku-liste.de/beste-restaurants/73/ente.html

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2 Antworten auf „Restaurantkritik „Ente im Nassauer Hof“, Wiesbaden“

  1. Lieber Herr Pürstner, auch ich kenne das angesprochene Lokal nur aus der Presse und entsinne mich vor einigen Jahren einst einen sehr wohlgesinnten Artikel im Feinschmecker gelesen zu haben.
    Ich wundere mich jedoch weshalb Sie eine Kritik eines zahlenden Gastes derart in Zweifel ziehen. Bei einem Besuch in einem „grossen“ Restaurant darf der Kunde sehr wohl einiges erwarten, und da spielen halt auch Eindrücke eine Rolle, die man in einer Pizzeria als nicht wichtig ansehen würde. Und gerade die Portionsgrösse ist sehr wohl ein emminent wichtiger Punkt, denn das Preis-Leistungsverhältniss muss auch hier stimmen, völlig gleichgültig ob 2 oder 25 Köche sich Mühe geben ein stimmiges Gericht zu präsentieren. Auch hat Herr di Bolgherese sehr wohl die Kombination einzelner Gerichte in Frage gestellt und die Weinkarte spielt nunmal auch eine wichtige Rolle bei der Zufriedenheit eines Gastes! Und zu guter Letzt ist Mobilier und Inventar überhaupt kein Grund für teures Essen, höchstens der Rahmen in dem sich das „Restauranttheater“ abspielt! Sonst könnte ja mal eben McDonalds einen Luxus-Diner aufmachen, der die selben Sandwiches verkauft, aber halt auf Versace Tellern anrichtet – Würde allein das einen höheren Preis rechtfertigen?
    Ich bin auch Koch, ich habe auch ein Restaurant und ich finde die Kritik von Herrn di Bolgherese sehr aufschlussreich und absolut gerechtfertigt!

  2. Ohne das angesprochene Lokal aus eigener Erfahrung beurteilen zu können, maße ich mir an, zu Ihrer Kritik doch einige Dinge grundsätzlicher Art anzumerken.
    Abgesehen davon, dass die Weinkarte Ihren persönlichen Geschmack sträflicherweise nicht teilt, finde ich in der ausführlichen Kritik keinen Punkt, der die tatsächliche Qualität der Speisen beanstandet. Wie ein roter Faden zieht sich lediglich die Diskrepanz zwischen (tatsächlich happigen) Preisen und den Portionsgrößen durch den ganzen Text. Von Hauptgerichten ist aber nicht die Rede, lediglich Vorspeisen und Dessertschälchen werden erwähnt. Dass eine Vorspeise nicht satt macht, ja nicht machen soll, wird Ihnen doch sicherlich geläufig sein.
    Um noch mal auf die Weinkarte zurückzukommen, mir als gelernten Koch stößt es immer noch sauer auf, wenn ich sehe, mit welcher Gelassenheit 9, 10, 12 Euro für ein Glas(!) Wein verlangt und bezahlt werden, während man die Produkte der Küche ob ihres „unverschämten“ Preises kritisiert. Werfen Sie doch mal einen Blick in die Küche, wo ein Dutzend Köche die schon seit Stunden mit der Vorbereitung für Ihre Gerichte beschäftigt waren nun unter Stressbedingungen die fachmännisch zubereiteten Speisen optisch ansprechend servierbereit machen.
    Hoher Personaleinsatz, sündteures Ambiente, Geschirr, Gläser etc. sind die Dinge, die diese hohen Preise ausmachen. Ihr Theaterbesuch hat auch ein bisschen mehr als € 8.50 für eine Kinokarte gekostet, oder?
    Etwas mehr Respekt vor menschlicher Arbeitskraft bitte!

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