vzbv stellt Ampel-Kennzeichnung vor: Lebensmittel einfach und schnell vergleichen
Eine obligatorische, verständliche und auf den ersten Blick vergleichbare Nährwertkennzeichnung für zusammengesetzte und verarbeitete Lebensmittel hat der vzbv gefordert. „Das Versteckspiel und die Beliebigkeit bei der Nährstoffkennzeichnung müssen ein Ende haben“, so vzbv-Vorstand Gerd Billen. Der vzbv schlägt die Einführung der in Großbritannien bereits erfolgreich praktizierten Ampel-Kennzeichnung vor. „Eine Kalorienbombe muss als solche direkt erkennbar sein.“ Wie die Ampel in der Praxis aussehen würde, demonstrierte der Verband anhand konkreter Produktbeispiele.
Die Forderung des vzbv richtet sich an die EU-Kommission, die in Kürze einen entsprechenden Verordnungsvorschlag präsentieren wird. Enttäuscht ist der vzbv von Bundesverbraucherminister Seehofer. Dieser hatte sich lediglich für eine freiwillige Kennzeichnung und gegen die Ampel ausgesprochen. Eine vom vzbv veröffentlichte Gegenüberstellung der Ampel-Kennzeichnung mit der gegenwärtigen Kennzeichnung und der vom Bundesverbraucherministerium vorgeschlagenen Variante zeigt: Mit Chips liegt man für Fett und Salz fast immer im roten Bereich. Die Flasche Limonade ist der reinste Zuckerschock. Kinderjoghurts pendeln zwischen „Gelb“ und „Rot“.
Ernährungsbedingte Krankheiten kosten 70 Milliarden Euro
Nach Veröffentlichungen des Bundesverbraucherministeriums sind in Deutschland circa 37 Millionen Erwachsene und rund zwei Millionen Kinder und Jugendliche übergewichtig oder adipös. Ein Viertel der Erwachsenen leidet an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck. Mehr als jedes fünfte Kind weist Symptome einer Essstörung auf. Die Folgekosten, die durch ernährungsbedingte Krankheiten entstehen, werden mit 30 Prozent aller Gesundheitskosten kalkuliert und betragen damit jährlich mehr als 70 Milliarden Euro. „Mangelnde und unverständliche Nährwertkennzeichnungen sind mit Schuld an ernährungsbedingten Krankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes“, erklärt Dr. med. Ulrich Fegeler, Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte.
„Leichtes“ Müsli mit 30 Prozent Zuckeranteil
Natürlich schmeckt ein Schokoriegel süß, Chips fettig und Salzstangen salzig – aber wie süß, fettig und salzig sind sie wirklich? Zucker, Fett und Salz: Die Suche nach dem Nährwert bei zusammengesetzten Lebensmitteln entwickelt sich in den meisten Fällen zur komplizierten Lektüre. Unterschiedliche Tabellen, Angaben und Bezugsgrößen erschweren den Vergleich. Wenn dann noch süße Müslis als „leicht“ daherkommen oder die Natrium-Angaben auf Chips-Tüten nichts über den tatsächlichen Salzgehalt verraten, ist die Verwirrung komplett.
Freie Fahrt für Nährwert-Ampel
Bei der Nährwert-Ampel sieht der Verbraucher auf den ersten Blick, wie er das Produkt einzuordnen hat: Auf der Vorderseite der Verpackung wird der Gehalt an Nährstoffen wie Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz jeweils durch eine der drei Ampelfarben angezeigt. Rot steht dabei für einen hohen Nährstoffgehalt, gelb für einen mittleren und grün für einen geringen Anteil. Die Ampel kommt auch bei den Verbrauchern gut an. Das ergab eine Verbraucherbefragung der britischen Verbraucherorganisation ‚Which?‘ im Sommer 2006. Im Vergleich zu anderen Kennzeichnungsformen wurde die Ampel von über 90 Prozent der Befragten als leicht und schnell verständlich bewertet.
„Studien zeigen, dass viele Verbraucher beim Einkaufen die Rückseite von Produkten einfach ignorieren“, unterstützt Entscheidungspsychologin Jutta Mata vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung die Forderung des vzbv. „Wenn ein Produkt ein rotes Licht bekommt, kann es nicht durchweg gesund sein.“ Viele Verbraucher wissen zwar, dass zu viele Chips oder süße Limonaden nicht gesund sind – aber was ist ein „zu viel“? „Wenn es eine Ampelkennzeichnung gäbe, müsste ich Familien in der Praxis nicht mehr lang und breit erklären, welche Produkte tabu sind – stattdessen steht ‚Rot‘ für ‚Achtung!‘, setzt sich auch Kinderarzt Dr. Fegeler für die Ampel ein.
Portionierung und Tagesbedarf: Industrie rechnet Produkte gesund
Die von der Industrie zum Teil schon praktizierte Form der Nährwertkennzeichnung entpuppt sich bei genauer Anlayse zum Teil als gezielte Desinformation der Verbraucher. Durch die Angabe von Miniportionen und die Annahme eines zu hohen Tagesbedarfs wird der Zucker-, Fett- und Salzgehalt eines Produktes relativiert. Mit realistischen Portionsgrößen und offiziell empfohlenen Tageszufuhr würde sich der jeweilige Nährwertanteil pro Portion bezogen auf den Tagesbedarf in vielen Fällen verdoppeln, zum Teil verdreifachen. Beispiel-Rechnungen der Verbraucherzentrale Hamburg belegen: Wer einen halben Liter Limonade und eine Tüte Chips konsumiert, hat sein Soll an Zucker, Fett und Salz schon übererfüllt.