Hochwertige Spirituosen vor einer Renaissance

Sommelier Pattas: „Richtiger Umgang will gelernt sein – kleinere, regionale Brennereien sind die heimlichen Stars“

In den Clubs und Bars von New York, London, Paris und Sylt werden Vodka, Rum und Co. längst nicht mehr als reine Cocktail-Zutat gesehen, sondern immer häufiger pur genossen. Den Trend zu hochwertigen und außergewöhnlichen Spirituosen sieht auch Evangelos Pattas, Gault Millau Sommelier des Jahres 2007. Der in Deutschland lebende Belgier mit griechischen Wurzeln favorisiert abseits vom Massenmarkt eher kleinere Brennereien mit regionalem Hintergrund – denn gerade die leisten laut Pattas bemerkenswerte Arbeit: „Die Welt der Spirituosen ist sehr groß. Was heraussticht, sind vor allem die überragenden Produkte kleinerer Brennereien. Genießer aus Deutschland setzen verstärkt auf hochwertige Spirituosen mit regionalem Hintergrund.“

Spirituosen steigen in die Liga des Weines auf

„Schnaps“ – unter dieser Bezeichnung sind Spirituosen in Deutschland seit Jahrhunderten bekannt. „Der kleine Schluck“ wird in Genießerkreisen längst nicht mehr als reiner Digestif gesehen: „Spirituosen sind langsam aber sicher dabei, in die Liga des Weines aufzusteigen. Immer mehr Verbraucher erkennen, dass es eine mindestens ebenso hohe Kunst ist, eine feine Himbeernote in 40 Prozent Alkohol abzubilden wie eine leckere Rieslingtraube bei acht Prozent“, erklärt Pattas.

Glas und Serviertemperatur müssen stimmen

Der Sommelier unterstreicht, dass es mehr als einen feinen Tropfen für den perfekten Spirituosengenuss braucht: „Wie beim Wein spielen Glaskultur und Serviertemperatur eine entscheidende Rolle.“ Das optimale Glas ist für den Spirituosen-Profi transparent, dünn, tulpenförmig, mit einem langen Stiel: „Der Boden des Kelches sollte relativ schmal sein, denn eine große Oberfläche setzt zu viel Alkohol frei. Dieser sticht in der Nase, bevor man die feinen Aromen riecht. Darüber wird das Glas etwas weiter, bauchig ausladend. Hier entsteht eine Duftkammer, die den flüchtigen Aromen Platz zur Entfaltung gibt. In der darauf folgenden Verjüngung werden diese Aromen komprimiert und aus dem Glas herausgepresst.“

Der gute, alte Cognacschwenker hat laut Pattas demnach ausgedient: „Die große Oberfläche erweist sich als Nachteil, weil zu viel Alkohol freigesetzt wird und die Aromen sich nicht optimal entfalten können. Trinke ich zum Beispiel einen Whiskey pur, dann setzte ich auch hier auf ein tulpenförmiges Glas, um dessen Eigenschaften nicht zu sehr zu beeinflussen“, so der Sommelier. Der beim Wein übliche „Schwenkreflex“ sollte bei Spirituosen übrigens unterdrückt werden. „Dadurch steigen in erster Linie alkoholische Komponenten auf, die in der Nase stechend wirken und die wahren Eigenschaften des Schnapses überdecken.“

Der Gault Millau Sommelier des Jahres warnt: „Viel zu oft werden Spirituosen zu warm oder zu kalt serviert. Hier kann man sehr viel kaputt machen. Zu warm serviert erscheint der Alkohol zu kräftig, die feine Frucht geht verloren. Die Spirituose wirkt dann oft sehr derb. Wird die Spirituose zu kalt gereicht, spürt man zwar den Alkohol weniger, aber auch in diesem Fall wird die feine Frucht zu stark unterdrückt und kommt kaum zur Entfaltung. Die optimale Serviertemperatur liegt bei circa 14 Grad Celsius; hier können Alkohol und Frucht perfekt miteinander harmonieren.“

ProWein exklusiv: Pattas Spirituosen-Favorit

Den Sommelier müssen Spirituosen „in der Nase und am Gaumen“ überzeugen. Pattas stellt seinen Favoriten exklusiv zur internationalen Fachmesse für Weine und Spirituosen ProWein 2007 in Düsseldorf vor:

Orangengeist
In der Nase: klare und erkennbare Orangennoten, nach Orangenzesten, Grand Marnier, leicht karamellisierte Note, Marille, fein fruchtig, leicht buttrig, Zitrus, Mandarinenschalen, sehr aromatisch.
Am Gaumen: Orangenzesten, feine Süße, Marille, Orangen, animierend und schöner Abgang.

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