Es ist schon ein Weilchen her, dass die internationale High Society das Örtchen Megève in den Hochsavoyer Alpen entdeckt hat. Etwa im Jahr 1913 etablierte sich der beliebte Wintersport auch in dieser Ecke der Alpen. 1921 eröffnete Maurice de Rothschild ein Luxushotel, nachdem er sich anscheinend in St. Moritz nicht mehr wohl fühlte oder einfach dessen überdrüssig war. Ein paar recht erfolgreiche, wenn auch mir unbekannte, Skirennläufer stammen aus dem Ort. Uns allerdings lockte ein anderer Prominenter nach Megève, nämlich der Dreisternekoch Emmanuel Renaut.
Drei Sterne vergibt der Guide Michelin mit der Erklärung, dass das Restaurant eine Reise wert ist und man eine der besten Küchen vorfindet.
So fuhren wir von „Gourmet unterwegs“ von Berlin in den Süden bis zu den französischen Alpen, getragen von der Hoffnung, dass sich die Preise ebenfalls südlich der Pariser Dreisterner einpendeln.
Renaut, ein gelernter Koch und Pâtissier, erkochte im Flocons de Sel 2012 seinen dritten Michelinstern und gehört mittlerweile zur Spitze französischer Kochkünstler. Ich nehme an, dass Marc Veyrat reichlich Anteil an der Entwicklung Renauts hat, wobei die Hinwendung zu Pflanzen und Kräutern den wesentlichen Rahmen einnimmt und er Veyrats Liaison mit der molekularen Gastronomie für sich verneint. Fast selbstverständlich ist die Hingabe zu regionalen Produkten.
Das Restaurant ist, wie eigentlich das ganze Hotel, mit viel Holz errichtet, hell und groß, mit einem großzügigem Platzangebot und sehr bequemen Sitzmöbeln ausgestattet.
Die Amuse Gueules sind geschmacklich sehr fein ausbalancierte Kreationen, die am Gaumen schnell zu erfassen und zu identifizieren sind. Ein großes Plus, welches das Menü wie ein roter Faden durchzieht. Es ist für mich immer ein besonderes Vergnügen, wenn das Produkt im Mittelpunkt steht und nicht durch meist überflüssige Begleiter bis zur Unkenntlichkeit „verbessert“ wird.
Amuse Gueules:
Wurzeltörtchen
– Smoked milk „Beignet“
– Cremige Polenta, Wacholder und Heu
– „Savoy“ Keks, Pilze und Haselnüsse
– Petersilie Paris
– Beaufort Käse & Trüffel Club Sandwich
– Kristallpilze
Nun zum Menü.
Gekühlte „Coeur de Boeuf“, „Noire de Crimée“ und „Rose de Berne“ Tomaten mit Ringelblume und Agastache Kräutern, serviert mit dem gefrorenen Sud der Tomatenhäute.
Sie alle kennen Tomaten und deren Geschmack. Bei diesem Gericht ist es allerdings etwas komplizierter. Diese Tomaten sind unglaublich zart und weich, schmackhaft von einer dezenten Würze umgarnt und durch die Kälte der Kreation nochmals geadelt. Falls ich jemals ein ähnlich grandioses Tomatenerlebnis hatte, muss ich in der Erinnerung zurück bis zu Jean-Georges Klein, der vor vielen Jahren damit ähnliche Emotionen ausgelöst hatte.
Sommer-Garten Salat
Renaut hat vor dem Restaurant einen wunderschönen Gemüse- und Kräutergarten angelegt, von dem auch reichlich Gebrauch gemacht wird. Ständig rupft und zupft ein Crewmitglied mal hier mal dort und verschwindet danach in der Küche. Eines der Ergebnisse dieser Bemühungen ist der frische und schmackhafte Sommer-Garten-Salat, angereichert mit einer leichten Vinaigrette, der weit mehr als eine Nebensächlichkeit darstellt.
Geräuchertes Eigelb „Paris“, Pilze, Kaffee
Der erste Blick auf das minimalistische Gericht erinnert stark an die Berliner Restaurants mit streng regionaler Ausrichtung, die derzeit achtbare Erfolge erzielen und Aufmerksamkeit erringen.
Vor allem aber zeigt diese Kreation, dass es nicht vieler Zutaten bedarf um ein feines Geschmacksbild zu zeichnen.
2 Millimeter Polenta, Steinpilze und wilde Haselnüsse
Wie man unschwer vermuten kann finden wir hier eine cremige Konsistenz vor, bei der die nussigen Aromen dominieren.
Erbsen-Gnocchi „ohne Mehl“, Gartenconsommé mit Petersilienblüte aromatisiert
Ein toller Einfall. Wie der Beschreibung des Gerichtes zu entnehmen ist, fehlte der für Erbsen typisch mehlige Geschmack gänzlich. Ansonsten war das süßliche Erbsenaroma deutlich herausgearbeitet worden. Die restlichen Begleiter kamen, wie sollte es auch anders sein, aus dem Garten.
Langoustine mit einem Hauch von Zitrone und Kaviar, Petersiliensaft
Felchen aus dem Genfer See
Besonders auffallend ist die zarte, fast cremige Textur des Fisches, präsentiert mit einem milden Limonendip.
Unter der leicht knusprigen Oberfläche des nächsten Gerichtes verbirgt sich eine tadellose Hechtmousse vom Hecht aus dem Genfer See von Fischer Eric Jacquier. Eine leichte Zwiebelsauce, Tapioka und gepuffter Buchweizen runden das Ganze ab.
Man fühlt sich an die „Hechtklößchen“ aus der Kindheit erinnert.
Lammrücken und Lammkeule aus Aveyron, frischer Knoblauch und Oregano, Zwiebeln und Champignons sowie eine kalt servierte Schulter mit Senf und natürlich Kräutern aus dem Garten.
Besonders erwähnenswert finde ich die „Pommes soufflés“, hauchzarte, luftige Kartöffelchen. Auch wenn dem tadellosen Fleisch die Hauptrolle zugedacht ist, empfinde ich eine starke Neigung, die Beilagen in den Vordergrund zu rücken. Meiner Meinung nach hat Emmanuel Renaut bei Fisch, Gemüse und Kräutern eine viel deutlichere Handschrift.
Nun werden wir von einem weiteren Gericht überrascht, welches zwar nicht auf der Karte stand, uns anscheinend aber nicht vorenthalten werden sollte: Kalbskopf mit Kräutern und einer sehr schmackhaften Vinaigrette, ein insgesamt fast wuchtig zu nennendes Aromenbild.
Predessert
Geräucherte Schokoladentarte, Eis und Baiser
Was zunächst wie eine Schachtel Käse anmutet, entpuppt sich als ein tolles Baiser, das seine Geheimnisse nicht auf den ersten Blick preisgibt.
Erwarten Sie jetzt aber keinesfalls einen simplen Eischnee der mit reichlich Zucker aufwartet. Das ist schon ein Baiser aus der französischen Hochküche in dessen Innern fein geschnittene Erdbeeren und ein überaus schmackhafter Hüttenkäse aus Val d`Arly auf Entdeckung warten.
Natürlich durften auch die unverzichtbaren Gartenkräuter nicht fehlen.
Ein fabelhaftes Dessert.
Service:
Unter der charmanten Regie von Kristine Renaut agiert eine professionelle und überaus engagierte Servicecrew. Fast möchte ich die ungezwungene Atmosphäre familiär nennen.
Hinzu kommt, dass niemand Anstoß daran nahm, dass ich Fotos gemacht habe. Weder der Service noch die anderen Gäste fühlten sich belästigt, so wie man es häufig in der République fédérale d’Allemagne erlebt. Diese Art französischer Gelassenheit mag ich genauso wie die französische Küche.
FAZIT:
In den Restaurant-Ranglisten (www.restaurant-ranglisten.de) wird Emmanuel Renaut und sein Flocons de Sel als Nummer 1 in Frankreich geführt.
Eine starke Aussage bei immerhin noch weiteren 25 Dreisternern in Frankreich.
Renauts Küche ist stark regional geprägt mit einer deutlichen Hinwendung zu Gemüse und Kräutern. Die frischen Zutaten sind mit Bedacht ausgewählt. Das macht seine Kreationen leicht und bekömmlich. Jeder Teller steht für Nachhaltigkeit, genauso wie das Hotel.
Natur pur.
Wie ich bereits bei anderen Dreisterneköchen Frankreichs, beispielsweise in Paris, erleben konnte, unterliegt die Menügestaltung des Flocons de Sel eher keinen hektischen Veränderungen. Einige Gerichte halten sich eine längere Zeit, wie meine Recherchen ergeben haben. Üblicherweise werden sie zu Signature Dishes erhoben.
Alle Fotos gibt es wie immer auf
http://www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de