Zutzeln, Noagerl, und Obazda

Zutzeln, Noagerl, und Obazda: Der kulinarische Biergarten-Knigge

Idyllische Berglandschaften, pulsierende Metropolen, uriger Brauchtum und kulinarische Schmankerl: Die Bayern sind stolz auf die Einzigartigkeit ihres Freistaats. Nicht zuletzt durch eine einmalige Mischung aus Tradition und Moderne ist der weißblaue Süden der Republik ein beliebtes Reiseziel, sowohl für Deutsche als auch für Besucher aus dem Ausland. Doch egal ob Italiener, Amerikaner oder Niedersachse – jeder sollte sich für einen Besuch darauf einstellen: Bayern tickt anders als der Rest der Republik! Die Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft hat für Bayern-Besucher den ultimativen kulinarischen Biergarten-Knigge zusammengestellt. Denn wer sich im Freistaat beim Essen nicht sofort als „Preiß“ (Preuße) oder „Zuagroaßta“ (Zugereister) verraten möchte, sollte einige Kleinigkeiten beachten.

Tradition seit 200 Jahren: Der Biergartenbesuch
Ein Biergartenbesuch ist ein Muss für jeden Freistaatbesucher. Durch einen Erlass von König Maximilian I von Bayern dürfen Bayerns Brauer bereits seit 1812 ihr Bier direkt an die Bürger ausschenken – ohne Umweg über die Wirte. Um das Bier kühl zu lagern, legten die Brauer unterirdische Keller an, streuten Kies darüber und pflanzten Kastanienbäume. Da keine Speisen verkauft werden durften, brachten die Gäste selbst die Brotzeit mit – dieses Konzept haben die meisten Wirte bis heute beibehalten. Selbstversorgung ist in Biergärten noch immer üblich und gesetzlich verankert. Wer zudem darauf wartet, dass eine Bedienung fragt, was man trinken möchte, wird durstig bleiben: Im Biergarten herrscht Selbstbedienung. Ausgeschenkt wird bis 22.30 Uhr, um 23 Uhr schließt dann der Biergarten.

Ist das Wetter zu schlecht für den Biergarten, besucht der Bayer stattdessen das Wirtshaus. Hier gibt es allerdings keine Selbstversorgung. Achtung: Ist das Wirtshaus gut gefüllt, verleiten freie Plätze am „Stammtisch“ schnell dazu, sich hier niederzulassen. Obwohl man in Bayern schnell per Du ist, sollte man sich dort nie ohne gesonderte Aufforderung hinsetzen!

Obacht bei der Getränkewahl
In Bayern wird weder Kölsch noch Pils bestellt. Zur Auswahl stehen Weißbier oder Helles, die gemäß bayerischem Reinheitsgebot gebraut werden. Mit der Mass (ein Liter Bier) stößt man mehrmals mit seinen Banknachbarn an und lässt das Noargerl (Getränkerest) im Bierkrug übrig.

„Snacken“ auf Bayerisch: Die Brotzeit
Die traditionelle bayerische Zwischenmahlzeit besteht neben Brez’n und einem Laib Bauernbrot aus Radi (Rettich), sauren Gurken, Radieserl (Radieschen), einem zünftigen Hartkäse wie dem Allgäuer Bergkäse oder Allgäuer Emmentaler, sowie der Käsespezialität Obazda (bayerisches Käseschmankerl aus Weichkäse, Zwiebeln, Paprika und Kümmel). Obazda wird übrigens nie mit Brot, sondern immer mit der obligatorischen Brez’n gegessen. Komplett wird die Brotzeitplatte mit geräuchertem Speck, Hausmacherwurst und Schmalz. Teilen gehört bei der Brotzeit zum guten Ton, egal ob den Tisch, an dem Einheimische und Besucher im Biergarten zusammen sitzen, oder die Brez’n, die gemeinsam verspeist wird. Es herrscht ein freundliches Miteinander.

Schmankerl aus der bayerischen Küche: Genießen aber richtig!
Gelüstet es den Bayern-Besucher nach regionalen Spezialitäten, hat er die Wahl zwischen Schweinshax’n, Wurst- oder Kartoffelsalat, Leberkäs, Hendl und Weißwürsten. Weißwürste werden immer als Paar gereicht. Man verzehrt sie nicht mit Messer und Gabel, sondern „zutzelt“ die Wurst mit dem Mund aus der Haut, und das bereits zum Frühstück, denn nach alter Tradition sollten Weißwürste bis zum Mittagsläuten der Kirchenglocken aufgegessen sein. Weißwürste werden zudem immer mit süßem Senf gegessen. Ketchup hat in der bayerischen Küche nichts zu suchen. Dies gilt auch für Leberkäse, zu dem nur Senf gehört.

Wer übrigens sein Hendl mit den Fingern isst, lässt nicht etwa Tischmanieren vermissen, sondern passt sich vielmehr perfekt den bayerischen Gepflogenheiten an. Eine besondere Spezialität in Bayerns Biergärten ist der Steckerlfisch, ein an einem Steckerl (Holzstab) gegrillter Fisch, meist Forelle, Makrele oder Renke aus dem Alpenvorland. Steckerlfisch wird eingewickelt in Papier serviert und mit den Fingern gegessen. Bitte niemals nach einem Fischbesteck fragen.

Wer Appetit auf Süßes hat, ordert Apfelkücherl, Ausgezogene
(Schmalzgebäck) oder Kaiserschmarrn – ob Weinbeerl (Rosinen) in diese Mehlspeise gehören, daran scheiden sich allerdings die (bayerischen) Geister. Gebacken in gutem Butterschmalz, schmecken die Süßspeisen besonders gut. Beim Verzehr benutzt man kein Messer, sondern isst den Kaiserschmarrn nur mit der Gabel.

Bayern dahoam
Ein kleiner Tipp für alle, die die weißblaue Küche nicht nur im Biergarten oder Wirtshaus genießen möchten: Auf www.milchland-bayern.de stellt die LVBM zahlreiche traditionelle bayerische Koch- und Backrezepte zur Verfügung. Besonders zünftig wird der Genuss mit der bewussten Entscheidung für Milch- und Käseprodukte aus Bayern, die das Identitätskennzeichen „BY“ auf der Verpackung aufweisen.

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