Stevia

Stevia: Eine süße Pflanze in der Diskussion

Das pflanzliche Süßungsmittel Stevia ist noch nicht als Süßstoff zugelassen

„Pflanzlich“ heißt nicht in jedem Falle
„gesund“. Viele Menschen glauben, dass das Süßkraut Stevia schon allein
deswegen gesund im Vergleich zu anderen Süßstoffen sei, weil es aus einer
Pflanze gewonnen wird. Aber Pflanzen wie beispielsweise das Alpenveilchen
sind giftig oder lösen wie Schlafmohn Sucht aus. Und die Giftigkeit von
Pilzen und vielen anderen Pflanzen ist zweifellos. Die Assoziation
„pflanzlich heißt gesund“ ist also nicht grundsätzlich richtig. In diesem
Zusammenhang bewertet Sven-David Müller, Diätassistent und
Medizinjournalist, vom Deutschen Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und
Diätetik (DKGD e.V.) das Süßungsmittel Stevia. Die Ansicht ist verbreitet,
dass Stevia der einzige natürliche Süßstoff sei und dass das Süßkraut
risikoarmes Süßen ermögliche. Das DKGD informiert heute darüber, dass Stevia
mit Vorsicht zu genießen ist, da die süßen Blätter und der daraus gewonnene
Süßstoff möglicherweise nicht unschädlich sind.

Stevia ist die allgemein übliche Kurzbezeichnung für Stevia rebaudiana
bertoni. Neben Stevia sind auch die Bezeichnungen Süßkraut, Süßblatt und
Honigkraut bekannt. Bei Stevia rebaudiana handelt es sich um eine Pflanze
aus der Gattung der Stevien, die zur Familie der Korbblütler gehört. Auch
die Bezeichnung Steviosid ist üblich für das Glycosid des Diterpens Steviol,
das einen stark süßen Geschmack hat. Es stammt aus den Blättern der
Stevia-Pflanze. Das aus den Stevia-Blättern gewonnene Süß-Extrakt enthält
vorwiegend Steviosid. Die Pflanze ist seit Jahrhunderten bekannt und wird in
den Ländern, in denen Stevia vorkommt, auch als natürlicher Süßstoff und
Mittel zur Verminderung der männlichen Fruchtbarkeit verwendet. Zu diesen
Ländern gehören die südamerikanischen Länder Brasilien und Paraguay.
Zur
Süßung können die getrockneten Blätter oder die industriell gewonnenen
Konzentrate verwendet werden.

Stevia als Zuckerersatz
Die wissenschaftlichen Akten über Stevia sind noch längst nicht geschlossen.
Die bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse sind weit weniger positiv
als viele Stevia-Verwender glauben. In Asien wird Stevia trotz der
wissenschaftlichen Studien und Veröffentlichungen noch als Zuckerersatz
verwendet.

Stevia ist noch nicht zugelassen
Momentan ist Stevia in der Europäischen Union weder als Lebensmittel noch
als Süßungsmittel (Süßstoff) zugelassen. Studien zeigen, dass Steviol
möglicherweise mutagen und genotoxisch sein könnte und die Sicherheit durch
weitere Studien nachzuweisen ist. Sicher dagegen ist eine minimale toxische
Wirkung von Stevia, die durch Tierversuche an Ratten, Hamstern und Mäusen
belegt ist. Daraus lassen sich aber nicht in jedem Falle Empfehlungen für
den Menschen ableiten. Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der
Welternährungsorganisation Food and Agriculture Organization of the United
Nations (FAO) wurde ein ADI-Wert für Stevia von bis zu 4 Milligramm je
Körperkilogramm festgelegt. Der ADI-Wert gibt an, wie viel des Zusatzstoffes
der Mensch jeden Tag gefahrlos aufnehmen kann. Die Abkürzung ADI steht für
Acceptable Dialy Intake. Daraus ist zu schließen, dass Stevia nicht
grundsätzlich unbedenklich ist. Andernfalls hätte Stevia den GRAS-Status
erhalten. Die Abkürzung GRAS steht für Generally Recognized As Safe. Diesen
Status vergibt die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) für
Substanzen wie beispielsweise Lebensmittelzusatzstoffe, die allgemein als
sicher angesehen werden. Die Süßstoffe Thaumatin und Aspartam-Acesulfam-Salz
werden von der WHO und der FAO im Gegensatz zu Stevia als völlig
unbedenklich eingestuft und haben die ADI-Bewertung: „Keine Beschränkung“.

Seit Jahrhunderten wird Stevia in südamerikanischen Ländern als
Verhütungsmittel eingesetzt. Stevia hat scheinbar Einfluss auf das männliche
Reproduktionssystem, und in Tierversuchen führt Stevia zur vorübergehenden
Unfruchtbarkeit der männlichen Ratte. Studien, die Stevia negative Wirkungen
zuschreiben, müssen kritisch betrachtet werden. Eindeutige Aussagen zu
Stevia lassen sich vor dem momentanen Kenntnisstand nicht machen.
Allerdings
lässt sich die Aussage, dass Stevia sicher und ungefährlich sei, noch
weniger belegen. Vorsichtshalber sollte Stevia kein Bestandteil der
menschlichen Ernährung sein. Dies gilt bis zu dem Zeitpunkt, an dem die
Sicherheit und Ungefährlichkeit eindeutig belegt sind. Erst dann ist Stevia
den anderen Süßstoffen gleichzustellen und hat eine ähnliche Sicherheit, wie
die zugelassenen.

Stevia als Novel Food
Rechtlich bewertet ist Stevia in der Europäischen Union ein neuartiges
Lebensmittel (Novel Food) und unterliegt daher der Novel Food Verordnung.
Stevia kann in der EU erst nach Zulassung in den Handel gelangen. Ein
Zulassungsantrag wurde bereits abgelehnt: Steviosid ist in der Europäischen
Union nicht als Süßstoff (Lebensmittel-Zusatzstoff) zugelassen, da die
Sicherheitsstudien zu Steviosid nicht ausreichen, die Unbedenklichkeit zu
belegen. Die Pflanze und ihre Blätter selbst wurden von der EU-Kommission
aus diesem Grunde nicht als Novel Food zugelassen. In vielen Ländern der
Welt (außer Israel, Brasilien, Neuseeland, Australien, China, Südkorea,
Thailand und Japan) darf Stevia nicht eingesetzt werden. In den USA ist
Stevia als Süßstoff durch die FDA verboten. Es darf dort nur als
Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden. In der EU und damit auch in
Deutschland ist es untersagt, Stevia in welcher Form auch immer als Süßstoff
in den Verkehr zu bringen. Momentan befindet sich die EU-Kommission in der
weiteren Entscheidungsphase zu Stevia. Mit einer Zulassung oder einem Verbot
von Stevia sollte nicht vor 2010 gerechnet werden.

Stevia: Ein süßes Pulver
Stevia ist 70- bis 450mal so süß wie Haushaltszucker und liegt damit im
Bereich der Süßkraft anderer Süßstoffe. Lediglich die Süßstoffe Sucralose,
Thaumatin und Neohesperidin-Dihydrochalcon weisen eine höhere Süßkraft als
Stevia auf. In Ländern, in denen Stevia erlaubt ist, ist das Süßungsmittel
in Pulverform erhältlich. Die in Deutschland eingeführten und meist
widerrechtlich verkauften Produkte entsprechen häufig nicht den für
Lebensmittel grundsätzlich notwendigen Anforderungen an die Hygiene.

Stevia-Süßpulver aus dem Internet-Shop
Grundsätzlich ist Stevia ein praktisch kalorienfreier Süßstoff, der auch für
die diabetesgerechte Ernährungsweise geeignet ist. Das aus den Blättern der
Pflanze gewonnene Süßmittel ist nicht kariogen und hat einen Geschmack, der
dem des Haushaltszuckers (Saccharose) sehr nahe kommt. Für viele Menschen
sind andere Süßstoffe wie Aspartam keine Alternative, da sie
fälschlicherweise annehmen, dass diese gesundheitsschädlich seien.
Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass es keine wissenschaftlichen
Beweise und noch nicht einmal Hinweise gibt, dass die acht bisher
zugelassenen Süßstoffe eine wie auch immer geartete Schädlichkeit aufweisen.
Stevia-Interessenten können momentan in Deutschland nur die Pflanze kaufen
oder Stevia-Süßpulver im Internet bestellen. Aus hygienischen und
rechtlichen Gründen sowie im Sinne des gesundheitlichen Schutzes sollten
Verbraucher aber darauf vorsichtshalber verzichten, um ihre Gesundheit nicht
zu gefährden.

In der Europäischen Union sind momentan acht Süßstoffe zugelassen:
1. Acesulfam-Kalium (E-950), 130 – 200x süßer als Zucker, entdeckt von Karl
Clauß (1967)
2. Aspartam (E-951), 200x süßer als Zucker, entdeckt von James M. Schlatter
(1965)
3. Aspartam-Acesulfam-Salz (E-962), 350x süßer als Zucker
4. Cyclamat (E-952), 30 – 50x süßer als Zucker
5. Saccharin (E-954), 300 – 500x süßer als Zucker, entdeckt von Constantin
Fahlberg / Ira Remsen (1878)
6. Sucralose (E-955), 600x süßer als Zucker, entdeckt von Shashikant Phadnis
(1975)
7. Thaumatin (E-957), 2.000 – 3.000x süßer als Zucker, Erstbeschreibung 1855
8. Neohesperidin-Dihydrochalcon (E-95), 400 – 600x süßer als Zucker,
entdeckt von Horowitz und Gentili (1963)

Süßstoffe lösen keinen Hunger aus und können beim Abnehmen helfen
Wissenschaftliche Studien beweisen eindeutig, dass die zugelassenen
Süßstoffe weder Hunger noch Appetit auslösen. Außerdem haben sie keine
Mastwirkung und finden keinen Einsatz als Mastmittel. Süßstoffe haben keinen
Einfluss auf den Blutzucker- und Insulinspiegel. Darüber hinaus nehmen
Süßstoffe keinen Einfluss auf die Hunger-Sättigungsregulation:
Wissenschaftliche Studien beweisen, dass Süßstoffe bei der Gewichtsreduktion
und der Gewichtsstabilisierung helfen können. Allein durch den Einsatz von
Süßstoff können Übergewichtige jedoch nicht abnehmen, da Süßstoffe nicht
automatisch schlank machen. Ob Stevia im Rahmen einer Gewichtsreduktion
positive Wirkungen hat, ist wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen.

Stevia nicht oder nur mit Vorsicht genießen
Da es eine Reihe anderer natürlicher Süßstoffe gibt, die im Gegensatz zu
Stevia nachgewiesenermaßen nicht schädlich sind, können diese bis zur
Zulassung von Stevia problemlos verwendet werden. Wer Stevia über
Internet-Shops oder aus dem Gartenhandel erwirbt, muss sich darüber im
Klaren sein, dass es möglicherweise gefährlich ist. Es schädigt
wahrscheinlich die Fruchtbarkeit und könnte sogar krebserregend sein. Zudem
gibt es Hinweise, dass Stevia genotoxisch sein könnte. Vor diesem
Hintergrund sollte Stevia mit Vorsicht oder besser überhaupt nicht verzehrt
werden.

Wissenschaftliche Quellen:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8143647?dopt=Abstract
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12130868?dopt=Abstract
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3887402?dopt=Abstract

Lesen Sie auch den Gourmet Report Artikel über Süssstoff:
www.gourmet-report.de/artikel/31030/Suessstoff.html

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