ARTE, Freitag, 15.05. um 16:25 Uhr
Zu Tisch im … Bregenzerwald
Es ist Hochsommer im Bregenzerwald. Die Bergbauernfamilie Wirth will das Heu noch vor dem Gewitterregen ins Trockene bringen. Die ganze Familie arbeitet am Steilhang – Blitz und Donner treiben sie an.
Norbert Wirth ist stolz, dass alle mit anpacken, und bleibt gelassen, als der Regen sie dann doch erwischt. In ihrem Haus im Tal hilft eine Suppe mit selbst gemachtem Butterschmalz und Bergkäse gegen Hunger und Nässe. Im Bregenzerwald haben Hofwirtschaft und Alpennomadentum überlebt. Die Wirths verbringen jeden Sommer mit ihren Tieren in den Bergen. Der älteste Sohn Christoph will in die Fußstapfen seines Vaters treten und soll dieses Jahr erstmals alleine eine Alm bewirtschaften …
Der Bregenzerwald ist ein Voralpental und liegt in Vorarlberg, das ist ganz im Westen von Österreich – zwischen Bodensee und Arlberg. Österreich, Schweiz, Deutschland und Liechtenstein treffen hier aufeinander. Hier leben mehr als tausend Bergbauernfamilien in einer Landschaft, die sich in den vergangenen Jahrhunderten kaum verändert hat. Es gibt keinen einzigen Großbetrieb mit Riesenställen und keinen einzigen Siloturm. Noch heute betreiben die Bauern Milchwirtschaft auf kleinen Höfen und lassen ihre Kühe auf den grünen Wiesen weiden.
„Schicksal in den Bergen, Pech im Tal“, sagt Brunhilde Wirth, klatschnass vom Regen in ihrer Küche. Die Heuernte ist buchstäblich ins Wasser gefallen, der Wetterumschwung hat sie überrascht. Mit Naturgewalten lernt man als Bergbäuerin umzugehen, und gegen Kälte und Nässe hilft eine heiße Käsesuppe. Das Haus von Familie Wirth steht im Dorf Andelsbuch im Tal. Doch die Eltern und der älteste Sohn Christoph leben von Mai bis September mit den Tieren in den Bergen. Wie die meisten Bergbauern im Bregenzerwald sind die Wirths Alpennomaden – in Mitteleuropa mittlerweile eine Ausnahme.
Weil die Weiden im Tal zu klein sind, ziehen die Bauern mit den Tieren im Frühjahr auf die sogenannten „Vorsässe“, das sind Almhütten in etwa tausend Metern Höhe, und im Sommer ziehen sie noch einmal tausend Meter höher: auf die Alpe, immer den Weiden hinterher. Norbert Wirth ist Bergbauer „solange er denken kann“. Sein ältester Sohn Christoph wird den Hof übernehmen. Obwohl die bewirtschafteten Flächen klein sind, sehen auch junge Leute eine Zukunft in diesem Beruf. Die 22 Dörfer des Bregenzerwaldes sind weitgehend von dem sonst alpenweit grassierenden Höfesterben verschont geblieben. Im Gegenteil, jeder zweite Bergbauer betreibt seine Landwirtschaft sogar im Vollerwerb. Sehr früh hat man in Vorarlberg auf die regionale Vermarktung der Produkte gesetzt, außerdem werden die Bergbauern subventioniert, um überleben zu können. Die Familie besitzt 26 Kühe.
Aus der Milch produziert Norbert Wirth jeden Tag einen großen Laib Bergkäse und jeden zweiten Tag fünf Kilo Alpenbutter. Mit der Molke, die beim Sennen übrigbleibt, füttert er seine 18 Alpschweine. Die Molke ist ein wertvolles Lebensmittel mit viel Eiweiß, Vitaminen und Mineralien und gibt dem Schweinefleisch einen vorzüglichen Geschmack. Mit dem Züchten von Alpschweinen hat sich Norbert Wirth, wie auch eine Reihe anderer Bergbauern in Vorarlberg, auf eine bewährte Tradition besonnen. Das Schweinefleisch erlebt hier eine Renaissance. Für Christoph, den ältesten Sohn, wird dieser Sommer die „Reifeprüfung“ als Bergbauer. Er wird die Alm seiner Eltern verlassen und ganz allein eine Hochalpe von Verwandten bewirtschaften, die Kühe versorgen und den Käse herstellen. Christoph soll selbstständig werden und ganz alleine entscheiden lernen. Mit 18 Jahren ist das die erste praktische Feuerprobe nach der Landwirtschaftsschule. Die einzigen Helfer sind Christophs zwölfjährige Cousins, Johannes und Matthias, die in den Sommerferien als „Pfister“ auf der Alpe arbeiten. Und zum Glück kommt auch Christophs Freundin Kathi jedes Wochenende zu Besuch auf die einsame Hütte. Doch bevor Christoph die Alm seiner Eltern für die nächsten Wochen verlässt, kocht seine Mutter Brunhilde ein großes Abschiedsessen. Seine Lieblingsgerichte: Geschnetzeltes vom Alpschwein und Erdbeertopfencreme mit wildem Klee.