Verpönte Küche
Es sei an dieser Stelle einmal gestattet, den Vergleich von Essen und Büchern anzustellen. Würde man ein Buch allein nach seinem Einband bewerten, bekäme man die Intentionen seines Autors so wenig mit, wie die Geschichte, die es schreiben möchte. Bleibt die Frage, weshalb sich die Küche gegenüber dem Innenleben eines Tieres so benimmt, als würde lediglich die Hülle unter dem Fell interessieren.
Hand aufs Herz: haben sie schon einmal Kutteln zubereitet? Nein, dann sollten sie sich dieses Buch zulegen. Sie müssen kein Freund von Innereien sein, sie werden einer werden.
Siebeck schreibt mittlerweile, als würde er Gefallen an seinem Alter finden. Er hat eine Art gewonnen, nicht lässig auf die Dinge zu sehen – dazu sind sie ihm immer noch zu wichtig – sondern sie mit einer routinierten Gelassenheit zu betrachten, die es ihm ermöglicht, seiner Liebe zum guten Essen ein würdiges Denkmal zu setzen und zugleich zu spielerischen Experimenten beim Kochen zu animieren.
Wo könnte man sonst schon mal so etwas in Bezug auf Hühner- und Entenherzen lesen: „Diese niedlichen Teile unseres Geflügels sind dem Verbraucher so vertraut, dass kaum jemand sie unter die Innereien zählt. Sie unterscheiden sich auch geschmacklich kaum von den Vögeln, denen sie entstammen. (In einer Pfanne bei mäßiger Hitze gebraten) bleibt mir jede Freiheit, sie aromatisch so zu bearbeiten, wie die Hexe im Märchen es zu tun pflegte, wenn sie Kindern einen Schauder über den Rücken jagen wollte. Also ein Fall für die losgelassene Fantasie.“
Mit 80 Jahren kann man grenzdebil und verknöchert werden wie ein deutscher Literaturnobelpreisträger, oder aber dem Leben so zugewandt erfrischend schreiben wie Wolfgang Siebeck. Das „Kochbuch der verpönten Küche“ mit den wunderbaren Fotografien von Martin Grothmaak und Tom Ziora und dem liebevollen Einband gehört in jedes Bücherregal.
Am Ende der Lektüre müssen sie nicht unbedingt Kutteln zubereiten, aber sie können sich fragen: Warum eigentlich nicht?
Wolfram Siebeck: Das Kochbuch der verpönten Küche. Edition Braus, Heidelberg 2008, ISBN: 978-3-89904-281-8 , 200 S. geb., 39,90 EUR